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In der Christnacht


Ein Bettelkind schleicht durch die Gassen-
Der Markt lässt seine Wunder sehn:
Lichtbäumchen, Spielzeug, bunte Massen.
Das Kind blieb traumverloren stehn.

Aufseufzt die Brust, die leidgepresste,
Die Wimpern sinken tränenschwer.
Ein freudlos Kind am Weihnachtsfeste
Ich weiß kein Leid, das tiefer wär.

Im Prunksaal gleißt beim Kerzenscheine
Der Gaben köstliches Gemisch,
Und eine reichgeputzte Kleine
Streicht gähnend um den Weihnachtstisch.

Das Schönste hat sie längst, das Beste,
Ihr Herz ist satt und wünscht nichts mehr.
Ein freudlos Kind am Weihnachtsfeste
Ich weiß kein Leid, das tiefer wär.

Doch gälts in Wahrheit zu entscheiden,
Wer des Erbarmens Preis verdient.
Ich spräch: Das ärmste von euch beiden
Bist du, du armes reiches Kind!

Ottokar Kernstock
österreichischer Dichter, 1848 - 1928

 

Ein nie vorher gesehener Stern

Manchmal des Nachts, wenn ich die Öfen schürte,
Sah ich durchs Fenster, nah und weltenfern,
So jäh, als ob mich eine Hand berührte,
Den nie vorher gesehenen Stern.

Er sprang und zuckte grün in kaltem Feuer -
So groß war nie ein Licht, und kein Planet.
Mein Blick war blind davon, und ungeheuer
Erschrak mein Herz, und fand nicht zum Gebet.

Hob dann die Lider ich, war er verschwunden.
War es ein Zeichen? War's ein Ruf des Herrn?
Ich frage nicht. Doch hält mich tief gebunden
Der nie vorher gesehene Stern.

    

 

 

 

 


Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh' ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen -
O du gnadenreiche Zeit!

 

Am Tag vor Weihnachten

Nur noch einmal wird es dunkel,
nur noch einmal wird es Nacht.
Wird es wieder Abend werden,
hat Knecht Ruprecht was gebracht.

Aus dem Walde wird er kommen,
wo verschneite Tannen stehn,
und sechs große zahme Hirsche
sind vor dem Gefährt zu sehn.

Glocken klingen, und der Schlitten
ist bis obenhin bepackt.
Ach, was hat der gute Alte
für die Kinder eingesackt!

Äpfel, Nüsse und Rosinen,
Kuchen, Kekse, Marzipan,
Engelshaar und Mandarinen,
Hampelmann und Eisenbahn.

Weiß du noch vom letzten Jahre,
als der Tannenbaum gebrannt,
wie es war, als lang erwartet
in der Tür Knecht Ruprecht stand?

Nur noch einmal wird es dunkel,
nur noch einmal wird es Nacht.
Wird es wieder Abend werden,
hat Knecht Ruprecht was gebracht.

 

        

Ich wünsche mir...

Ich wünsche mir ein Schaukelpferd,
'ne Festung und Soldaten
Und eine Rüstung und ein Schwert,
Wie sie die Ritter hatten.

Drei Märchenbücher wünsch' ich mir
Und Farben auch zum Malen
Und Bilderbogen und Papier
Und Gold- und Silberschalen.

Um weiße Tiere auch von Holz
Und farbige von Pappe,
Um einen Helm mit Federn stolz
Und eine Flechtemappe.

Ein Domino, ein Lottospiel,
Ein Kasperletheater ,
Auch einen neuen Pinselstiel
Vergiß nicht, lieber Vater. !

Auch einen großen Tannenbaum,
Dran hundert Lichter glänzen,
Mit Marzipan und Zuckerschaum
Und Schokoladenkränzen.

Doch dünkt dies alles euch zu viel,
Und wollt ihr daraus wählen,
So könnte wohl der Pinselstiel
Und auch die Mappe fehlen.

Ein Zelt und sechs Kanonen dann
Und einen neuen Wagen
Und ein Geschirr mit Schellen dran,
Beim Pferdespiel zu tragen .

Ein Perspektiv, ein Zootrop,
'ne magische Laterne,
Ein Brennglas, ein Kaleidoskop -
Dies alles hätt' ich gerne.

Als Hänschen so gesprochen hat ,
Sieht man die Eltern lachen :
"Was willst du, kleiner Nimmcrsatt,
Mit all den vielen Sachen ?


Wer so viel wünscht" , der Vater spricht's,
"Bekommt auch nicht ein Achtel -
Der kriegt ein ganz klein wenig Nichts
In einer Dreierschachtel

 

Vom Christkind

Denkt euch, ich habe das Christkind gesehn!
Es kam aus dem Wald, das Mützchen voll Schnee,
mit rotgefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh,
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.

Was drinnen war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweise, ihr Schelmenpack -
denkt ihr, er wäre offen der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss etwas Schönes drin,
es roch so nach Äpfeln und Nüssen!  

 

 

             

         

 

                       

        

Die heiligen drei Könige

Die heil'gen Drei Könige aus dem Morgenland,
sie frugen in jedem Städtchen:
"Wo geht der Weg nach Bethlehem,
ihr lieben Buben und Mädchen?"

Die Jungen und Alten, sie wussten es nicht,
die Könige zogen weiter,
sie folgen einem goldenen Stern,
der leuchtete lieblich und heiter.

Der Stern blieb steh'n über Josefs Haus,
da sind sie hineingegangen;
das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie,
die heil'gen Drei Könige sangen.

 

Engel im Alltag

Nicht immer haben Engel Flügel,
weißes Gewand und gold'nen Stern.
sie leben meistens auf der Erde
und sind dem Himmel recht weit fern.

Ein Engel, irdisch und ganz menschlich,
der öffnet weit des Herzens Tor,
er will nur einfach für Dich da sein
und leiht Dir willig stets sein Ohr.

Ein Engel hat Geduld und Liebe
sagt nie: Ich habe keine Zeit.
Er ist, wann immer Du ihn brauchest
für Dich zur Hilfe gern bereit.

Ich wünsche Dir heut' solchen Engel,
damit ein weihnachtlicher Schein
ein ganzes Jahr in Deinem Herzen,
ein ganzes Jahr mag um Dich sein.

 

      

Das Tännlein


Ein Tännlein aus dem Walde,
Und sei es noch so klein,
Mit seinen grünen Zweigen
Soll unsre Freude sein!
Es stand in Schnee und Eise
In klarer Wintersluft;
Nun bringt's in unsre Stuben
Den frischen Waldesduft.

Wir wollen schön es schmücken
Mit Stern und Flittergold,
Mit Äpfeln und mit Nüssen
Und Lichtlein wunderhold.
Und sinkt die Weihnacht nieder,
Dann gibt es lichten Schein,
Das leuchtet Alt und Jungen
Ins Herz hinein.
Christkind

Albert Sergel (1876-1946)

 

Christkindl's getreuer Knecht

Von grünen Tannen ganz umstellt,
Liegt still ein Haus am End der Welt.
Darinnen haust auf seine Art
Ein alter Mann mit langem Bart.

Wenn's Winter wird, da gibt's zu tun;
Da kann er nur am Abend ruhn.
Und wenn's die ersten Flocken schneit,
Da lächelt er -  Bald ist's soweit.

Und eines Abends schwebt ganz sacht
Ein Engel wieder durch die Nacht.
Er schwebt, umglänzt von goldnem Schein,
Aufs Häuschen zu und geht hinein.

"He Alter"- ruft er - "sei bereit;
Die Zeit ist da, es ist soweit!"
Der Engel aber, dass ihr's wisst,
Kein andrer als das Christkind ist.

Ihm dient der Alte treu und recht:
Knecht Ruprecht ist's, des Christkinds Knecht.
Längst fertig sind die Sachen all,
Der Esel wartet schon im Stall.

Der gute Graue, dick vom Ruh'n,
Kriegt nun tummelsüchtig was zu tun.
Zwei große Säcke bis zum Rand
Gefüllt - so geht's ins Menschenland.

Am nächsten Tag klopft es bei euch an.
Du kriegst 'nen Schreck...:

Der Weihnachtsmann!

Emil Weber

 

(Gem)Einsame Weihnacht

Ein alter Mann mit weißem Haar,
verbringt Advent auch dieses Jahr
voll Hoffnung auf die Weihnachtszeit
und seine Kinder, die sooo weit.
In seiner stillen, alten Klause
hofft er auf Trubel dann im Hause.

Er hofft auf Enkel, Tochter, Sohn,
die nun seit vielen Jahren schon
nur selten auf Besuch erscheinen,
um die Familie zu vereinen.
Er hofft auf frohes Kinderlachen,
will selber ihnen Freude machen,
er hofft auf eine Weihnachtstanne,
auf Lichterglanz und Teepunschkanne.

Da kommt ein Brief: "Wir kommen nicht!
Die weite Fahrt -- aus unsrer Sicht --
die lohnt sich nicht.

 

Advent

Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird,
Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
Streckt sie die Zweige hin - bereit,
Und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.

Rainer Maria Rilke

 

  

 

Das Weihnachtsbäumlein

Es war einmal ein Tannelein
mit braunen Kuchenherzelein
und Glitzergold und Äpflein fein
und vielen bunten Kerzelein:

Das war am Weihnachtsfest so grün,
als fing es eben an zu blühn.

Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stand's im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war, ach, dahingeschwunden.
die grünen Nadeln war'n verdorrt,
die Herzlein und die Kerzlein fort.

Bis eines Tags der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm -
Hei! Tat's da sprühn und funkeln!
Und flammte jubelnd himmelwärts
in hundert Flämmlein an Gottes Herz.

Christian Morgenstern

 

   
   

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